Caecotrophie (Blinddarmkot)
Im Vergleich zu anderen Tierarten ist der Blinddarm des Kaninchens sehr groß, das
Volumen beträgt ca. 40-45% der Gesamtkapazität des Verdauungstraktes und ist
somit größer als der Magen.
Wie andere warmblütige Tiere und auch der Mensch verfügt das Kaninchen über
keine Enzyme, die die Gerüstbestandteile der Pflanzen (z. B. Zellulose) aufschließen
könnten. Diese Aufgabe übernehmen Bakterien, die den Blinddarm als
Fermentationsraum benutzen. Durch den Aufschluss verdaulicher Kohlenhydrate
entstehen flüchtige Fettsäuren, welche ihm den charakteristischen Geruch verleihen
und die den Energiebedarf des Kaninchens über einen gewissen Zeitraum bis zu
30% decken können. Er ist von einer Schleimhülle umgeben, die zum großen Teil aus
Bakterien, Protein, Vitamin K sowie Vitamin B12 zusammensetzt ist und im Magen
bis zu 6 Stunden völlig erhalten bleibt (Schley, 1985).
Die Aufnahme des Weichkots ist etwas völlig normales, arttyisches und wird als
Caecotrophie bezeichnet. In älteren Quellen findet man den Begriff “Koprophagie” für
“Kot fressen”. Entsprechend seiner Herkunft bezeichnet man ihn als Blinddarmkot
(Caecotrophe), auf Grund seines Inhaltes als Vitaminkot bzw. auf Grund seiner
Konsistenz als Weichkot. Im Aussehen unterscheidet er sich deutlich vom normalen
bzw. Hartkot. Der Blinddarmkot besteht aus zusammenhängenden, annähernd
runden Gebilden, die traubenförmig zusammenkleben. Er ist weich, glänzt, hat einen
charakteristischen sauren Geruch und wird leicht mit Durchfall verwechselt.
Aufgenommen wird er direkt vom After, so dass dieser Vorgang vom Halter meist
unbemerkt bleibt. In der Literatur wird oft beschrieben, dass dieser Blinddarmkot
grundsätzlich unzerkaut geschluckt wird. Nach (Selzer, 2000) und eigenen
Beobachtungen wird er gelegentlich auch gekaut. Dieser Kot ist reich an Vitaminen
des B-Komplexes und Vitamin K. Die Aufnahme von Blinddarmkot beginnt beim
Jungtier mit etwa 20 Tagen.
Der Hartkot wird während der ersten. 4 Stunden nach der Nahrungsaufnahme
ausgeschieden, gefolgt vom Blinddarmkot während der nächsten 4 Stunden.
Verantwortlich für diese circadiane Rhythmik ist der „Fusus coli“, ein spezieller
Bereich im Dickdarm, der nur bei Hasenartigen existiert. Ist der Rohfasergehalt im
Futter sehr niedrig, verbleibt die Masse länger im Blinddarm. Der Grund ist eine
verringerte Peristaltik (Eigenbewegungen des Darms), was auch als intestinale
Hypomotilität bezeichnet wird.
Die Zusammensetzung des Blinddarmkots ist relativ unabhängig von der
Zusammensetzung der Futtermittel, da der Bakteriengehalt im Darm normalerweise
konstant bleibt. Bei Energiemangel wird der gesamte Blinddarmkot aufgenommen. Je
weniger Protein und mehr Rohfasergehalt in der Futterration enthalten ist, umso
größer ist die aufgenommene Menge an Blinddarmkot. Ist die Futterration besonders
protein- und/oder energiereich, werden entsprechend größere Mengen an
Blinddarmkot vom Kaninchen nicht aufgenommen.
Die Aminosäuren-Zusammensetzung des Blinddarmkots wird durch die
Bakterienpopulation im Blinddarm und die Verdaulichkeit des Proteins im Futter
beeinflusst. Das Bakterienprotein im Blinddarmkot kann den Tagesbedarf eines
Kaninchens an essentiellen Aminosäuren nicht decken (Fekete, 1993). Auch der
tägliche Bedarf an Vitaminen kann nach (Drepper, 1980) über diesen speziellen Kot
nicht gedeckt werden. Wird das Tier an der Aufnahme des Blinddarmkots gehindert,
stirbt es nicht daran. Da er aber an der Verdauung anderer Nahrungsbestandteile
beteiligt ist, sinkt die Ausnutzung der Nährstoffe und hat geringere
Gewichtszunahmen zur Folge. Ebenso sinkt die Ausnutzung von Vitaminen, wenn sie
nicht in ausreichender Menge durch das Futter zugeführt werden (Schley, 1985).
Durch den Blinddarmkot kann eine gewisse Zeit von Wassermangel überbrückt
werden. Die Zusammensetzung des Blinddarmkots und somit der Nutzen für das Tier
kann durch verschiedene Faktoren negativ beeinflusst werden. Die wichtigsten sind
Darmerkrankungen sowie Medikamente. Vor allem Antibiotika, können die
Bakterienzusammensetzung im Blinddarm nachhaltig stören.
Bis heute hält sich die veraltete Darstellung vom „zelluloseverwertenden“ Kaninchen,
das in der Lage wäre, Rohfasern effektiv zu verwerten. Früher wurde angenommen,
dass auf Grund des relativ hohen Anteils an Rohfaser in der natürlichen Nahrung des
Kaninchens dieses auch in der Lage wäre, diese zu verdauen. Wenn das der Fall
wäre, müsste das Kaninchen aber eigentlich den Hartkot fressen und nicht den
Blinddarmkot, denn dieser enthält wesentlich mehr Rohfaser. Auch die Versorgung
mit Vitamin B wurde als wesentliche Funktion des Blinddarmkots angesehen. Es zeigt
sich jedoch, dass Kaninchen auch dann den Blinddarmkot fressen, wenn sie über
den Bedarf hinaus über das Futter mit Vitamin B versorgt werden. Seit längerer Zeit
herrscht bereits Konsens darüber, dass die positive Wirkung der Caecotrophie in
einer besseren Ausnutzung der Proteine aus der Nahrung und den Bakterien sowie
der Füllung und somit der Gewährleistung des Transports des Nahrungsbreis durch
den Verdauungstrakt liegt (Scheelje, 1975), (Lang, 1981), im deutschsprachigen
Raum ist das bis heute noch nicht allgemein bekannt oder akzeptiert.
Neben den positiven Wirkungen der Caecotrophie gibt es auch negative durch
Bakterien und Parasiten. Vor allem für junge und immungeschwächte Tiere bestehen
Risiken, wenn sie Kot aufnehmen, der 2 Tage oder älter ist, weil dieser z. B.
Oozysten enthalten kann, die nach 36 – 48 Stunden Reifezeit Infektionen
verursachen können.
Nach wie vor ungeklärt ist der Umstand, warum keimfrei gehaltene Kaninchen die
Caecotrophie nicht ausüben. Das heißt, das Kaninchen, die unter sterilen
Bedingungen gehalten werden, den Blinddarmkot nicht aufnehmen (Yoshida, et al.,
1968), (Yoshida, et al., 1971). Es gibt verschiedene Untersuchungen, die zeigen,
dass die Verdaulichkeit der Rohfaser durch die Caecotrophie nicht beeinflusst wird.
Das bedeutet, dass im Blinddarm nur kleine, besser verdauliche Teile der Nahrung
verwertet werden und nicht das, was üblicherweise als Rohfaser bezeichnet wird.
Auch wenn Kaninchen ausschließlich frisches Grün fressen, beträgt der Anteil der
Flüssigkeit im Hartkot nur ca. 48%. Im Vergleich zu Tieren, die an Wüstenregionen
angepasst sind, kann das Kaninchen den Urin nicht im hohen Maß konzentrieren,
weshalb es auf eine Nahrung angewiesen ist, die mindestens 55% Wasser enthält
(Cooke, 1982).
Kaninchen würden Wiese kaufen
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